„Pfui, Darmbakterien!“ ist vielleicht dein erster Gedanken, wenn es darum geht, was sich alles in unserem Darm, genauer dem Dickdarm, tummelt. Geschätzte 100 Billionen Mikroorganismen – in seiner Gesamtheit Mikrobiom genannt – leben in uns, davon 95 % im Darm. Das sind 100-mal als der Mensch Körperzellen besitzt. Ganz allein sind die Billionen von Bakterien nicht: Auch einige Viren und Pilze gehören zu unserer Darmflora.

Zu Robert-Kochs-Zeiten ging die Wissenschaft davon aus, dass der Mensch völlig steril ist. Inzwischen weiß man, dass sogar Muttermilch1 Bakterien enthält. Auch das Kind im Mutterleib hat bereits Darmbakterien2 – entgegen des alten Paradigmas des sterilen Uterus‘.

Darmflora – Kleine Bakterien mit großet Wirkung

Gesundheit beginnt im Darm

Der Darm und das Immunsystem stehen in enger Verbindung zueinander. Der Großteil der Immunzellen sitzt im Dünn- und Dickdarm, wo auch die Abwehrreaktionen ablaufen. Der Darm stellt in unserem Inneren die Kontaktfläche zur Umwelt dar. Die Darmschleimhaut ist damit unsere wichtigste Verteidigungslinie gegen Erreger, die die Magensäure überstanden haben. Geht es unserem Verdauungstrakt gut, ist es auch besser um unsere Abwehrkräfte bestellt.

Das Darmmikrobiom hat ein enormen Einfluss auf unsere Gesundheit. Wenn die umgangsprachlich genannte Darmflora in Balance ist, kann der Darm seine Aufgaben reibungslos erfüllen.

Wichtige Aufgaben der Darmflora:

  • Training des Immunsystems
  • Abwehr und Bekämpfung schädlicher Erreger
  • Ernährung der Darmschleimhaut
  • Produktion und Vorsorgung von und mit Vitaminen
  • Vorverdauung der Nahrung
  • Anregung der Darmperistaltik
  • Produktion von kurzkettigen Fettsäuren
  • usw.

Mit den richtigen Darmbakterien hast du gute Chancen, eine schlanke Figur zu halten, keine Allergien zu bekommen und nicht zuckerkrank zu werden.

Gute und schlechte Darmbakterien

Sehr lange Zeit hat man die meisten Baktereien als Feinde betrachet. Erst in den letzten Jahrzehnten kam die Forschung zu dem Thema richtig in Bewegung. Eine Herausforderung war, dass viele Keime anerob (ohne Sauerstoff) wachsen und im Labor (mit Sauerstoff) sehr schnell abgetötet wurden. Die meisten Darmkeime flogen deshalb sehr lange Zeit unter dem Radar.

Im Durchschnitt beherbegt ein Mensch nur etwas 150 – 200 unterschiedliche Mikrobenarten. Je größer die Mischung im Darm ist, desto gesünder ist der Mensch. Im Umkehr sind Menschen mit geringer, bakterieller Vielfalt anfälliger für Erkrankungen.

Die „guten“ Bakterienkulturen

Die Bacteroidetes-Bakterien zählen zu den Guten. Bacteroides-Arten haben eine Vorliebe für Hefepilze – indem sie die Eindringlinge futtern, schützen sie vor Pilzinfektionen. Je größer die Gruppe der Bacteroides im Vergleich zu den Firmicutes-Bakterien ist, desto günstiger ist das für eine schlanke Taille und einen geringeren Appetit. Bei Menschen mit Multiple Sklerose (MS), Autismus und Übergewicht ist dieser Bakterienstamm oftmals unterrepräsentiert.

Milchsäurebakterien (Laktobazillen oder Lactobacillus) sorgen für gutes Darmklima. Unter Stress befinden sich deutlich weniger dieser guten Bakterien im Stuhl wieder. Auch bei Allergien sind Milchsäurebakterien und Bifidobakterien selten vorhanden.

Die nützlichen Bifidobakterien regulieren das Immunsystem und schützen vor Übergewicht, Entzündungen, Allergien und Autoimmunerkrankungen. Der ph-Wert des Dickdarms sinkt, indem Bifidokeime Glucose zu Milchsäure fermentieren. Unerwünschte Darmbakterien, die im sauren Milieu leben, können sich dadurch kaum ansiedeln. Sie helfen beim Reizdarmsyndrom und vermindern Allergien.

Prevotella-Bakterien helfen bei der Bildung von B-Vitaminen wie Thiamin und Folsäure. Sie sind wichtig für die Erhaltung der Darmbarriere. Bei Neurodermitis sind sie häufig unterrepräsentiert.

Akkermansia muciniphila erhält die schützende Fettschicht der Darmschleimhaut, repariert sie und baut sie wieder auf. Dieser Keim sorgt für eine gesunde Darmbarriere und schützt vor zu vielen Kilos auf den Rippen. Auch das Risiko an der Zuckerkrankheit, an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder Autismus zu erkranken, sinkt mit ihren Gegenwart.

Faecalbacterium prausnitzii hat immunregulierende Eigenschaften. Die Bakterien tragen zur Verminderung des Risikos für Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Allergien, chronische Entzündungen und Autoimmunerkrankungen bei.

Die „schädlichen“ Darmbakterien

Die Firmicutes-Bakterien wandeln unverdauliche Ballaststoffe in kurzkettige Kohlenhydrate um. Die einfachen Zuckermoleküle werden in Form von Fett im Körper gespeichert. Menschen mit viel Firmicutes-Besiedlung neigen wenig überraschend zu Fettpolstern. Dieser Bakterienstamm wird auch mit dem Reizdarm in Verbindung gebracht.

Clostridien, die zur Gruppe der Firmicutes-Bakterien gehören, fördern Entzündungen. Clostridium difficile sind als als Krankenhauskeime bekannt.

Staphylokokken, welche der gleichen Gattung angehören, gelten als Auslöser für Hautirritationen und Lebensmittelvergiftungen.

Die Kolibakterien (Fäulnisbakterien) erzeugen beim Abbau von Proteinen Toxine. Diese Fäulnisbakterien machen den Stuhlgang zu einem Stinker. Je geruchloser die eigenen Auscheidungen sind, desto besser funktioniert das Verdauugnssystem.

Welchen Einfluss haben Darmbaktereien auf Krankheiten?

Bei vielen Erkrankungen gibt Hinweise, dass eine Fehlbesiedlung oder eine mangelende Vielfalt daran beteiligt ist. Bei dieser Aufzählung stehen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Übergewicht (Adipositas), Diabetes, aber auch Multiple Sklerose oder Autismus ganz oben. Selbst Drepressionen sollen mit einer einseitigen Darmflora korrelieren. Ob Veränderungen der Baktereienvielfalt Reizdarmsyndrom, Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa positiv beeinflussen, ist wissenschaftlich nicht gänzlich geklärt.

Fakt ist jedoch, dass Antibiotika und Stress die Darmflora ins Ungleichgewicht bringen können. Clostridien difficile ist ein Bakterium, das sich im Zuge einer Antibiotikabehandlung im Darm ausbereiten kann. Die Krankheitserreger scheiden Giftstoffe aus, die Darmentzündungen mit schweren Durchfällen verursachen können.

Gestörte Darmflora

Mikrobiom und Darm bilden eine enge Symbiose, die den ganzen Körper beeinflusst. Ist die Darmflora beeinträchtigt, kann das unterschiedlichste Gesundheitsprobleme und Krankheiten begünstigen, die sich nicht nur auf den Darm auswirken. Zu Verdauungsbeschwerden können Übergewicht, Konzentrationsstörungen, ein geschwächtes Immunsystem und mehr kommen. Chronische Erkrankungen werden besonders von einem anfälligen Darm begünstigt.

Bei einer gestörten Darmflora spricht der Arzt von einer Dysbiose.

Ein Großteil der Reizdarmpatienten haben eine bakterielle Überwucherung des Dünndarms.

Bei allergischen Erkrankungen und Neurodermitis reagiert unser Immunsystem überschießend und unkontrolliert auf eigentlich harmlose Umweltfaktoren. In Deutschland leidet etwa jeder vierte bis fünfte Erwachsene unter Pollenallergie. Mit Neurodermitis müssen zwischen 10 und 20 Prozent der Kinder und etwa 3 Prozent der Erwachsenen klarkommen. Schnupfen, Asthma oder Ekzeme und Juckreiz machen den Patienten das Leben schwer. Die Zahl der Betroffenen steigt von Jahr zu Jahr. Offenbar spielt auch hier wieder unser moderner Lebensstil eine Rolle.

Mögliche Folgen einer gestörten Darmflora:

  • Übergewicht
  • Geschwächte Abwehrkräfte
  • Allergien und Neurodermitis
  • Autismus
  • Darminfektionen
  • Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
  • Darmkrebs
  • Zuckerkrankheit

Futter für die Darmbakterien

Damit sich die „guten“ Bakterien in deinem Darm wohlfühlen, musst du für den richtigen Nährboden sorgen. Die moderne, westliche Lebensweise mit übermässige Konsum, viel Fast Food, Alkohol und permanemtem Snacken verursacht auf Dauer ein gefährliches Ungleichgewicht und kann Krankheiten wie Reizdarm und Krebs fördern.

Die gute Nachricht: Innerhalb kurzer Zeit kannst du die Zusammensetzung der Mikroben durch deine Ernährung zum Positiven verändern. Das funktioniert allerdings auch in die andere Richtung. Erreichen kannst du diese Änderung am besten mit einer kohlenhydratarmen Ernährung, danach folgt die fettarme Ernährung. Bestimmte Ballaststoffe (Präbiotika) stellen Futter für die nützlichen Bakterien dar.

Präbiotika

„Präbiotika“ bedeutet so viel wie „vor dem Leben“ (pre = vor, bios = das Leben). Das sind verdauliche Nahrungsbestandteile, die von den Darmbakterien gerne verzehrt werden. Inulin, Oligofruktise/Fruktoologosaccaride, Pektin, Lactulose und resistente Stärke zählen zu den bakterienfreundlichen Bestandteilen. Auch Mandeln, Honig und grünem Tee werden präbiotische Eigenschaften nachgesagt. Aber: Nicht alle bei allen Ballaststoffen handelt es sich um Präbiotika. Nur, die von den Mikroorganismen im Darm „fermentiert“ werden, sind relevant.

Probiotika

Probiotika“ steht „für das Leben“ (pro = für, bios = das Leben). Dabei handelt es sich um bestimmte Bakterien, die in lebender Form im Dickdarm wohnen. Das sind vor allem Milchsäurebakterien und Bifidobaktereien. Natürlich vergorene Lebensmittel wie Kefir, Joghurt und Sauerkraft enthalten solche aktiven Mikroorganismen.

Synbiotika

Synbiotika (syn = zusammen, bios = das Leben) sind Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel, die sowohl Prä- als auch Probiotika beinhalten.

FAQ

Wie gefährlich sind Enterokokken?

Enterokokken zählen zu den Milchsäurebakterien. Sie sind nicht per se schlecht, werden aber häufig mit Infektionen und Beschwerden assoziiert. Wenn Enterokokken den Darm verlassen und sich in anderen Milieus ausbreiten, kann es beispielsweise zu Harnwegsinfektionen kommen.

Welche Probiotika helfen bei Reizdarm?

Mit Joghurt ist es meist nicht getan, um merkbare Effekte zu erzielen. Zu therapeutischen Zwecken sind probiotische Präparate empfehlenswert. Diese müssen über einen längeren Zeitraum (4 Wochen bis 3 Monate) eingenommen werden. Die Wirkung hält oft nur solange, wie das Mittel genutzt wird. Wenn sich Probiotika als nützlich erweisen, ist die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten eine Maßnahme, um die Darmgesundheit langfristig zu verbessern.

Literaturhinweise / Quellen

1 Aagaard, K. et al. The Placenta Harbors a Unique Microbiome. Sci Transl Med. 2014 May 21; 6(237): 237ra65. doi: 10.1126/scitranslmed.3008599.

2 Gosalbes, M.J. et al. Meconium microbiota types dominated by lactic acid or enteric bacteria are differentially associated with maternal eczema and respiratory problems in infants. Clin Exp Allergy. 2013 Feb;43(2):198-211. doi: 10.1111/cea.12063.